Bremen. „In den fetten Jahren versäumen es gerade mittelständische Unternehmen, nachhaltig in die eigene Zukunftsfähigkeit zu investieren und ein widerstandsfähiges, resilientes Geschäftsmodell aufzubauen“, stellt Rainer Ulrich, geschäftsführender Gesellschafter der auf Restrukturierungsprojekte spezialisierten SEViX GROUP, fest. „Nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens war dann bei einigen dieser Unternehmen die Uhr abgelaufen. Andere sind von der ersten in die dritte Liga abgestiegen. Kein einziges Unternehmen hat jedoch aus dem Insolvenzverfahren heraus den Wiederaufstieg zu früherer Stärke geschafft.“
Die SEViX GROUP hat die wesentlichen Wirtschaftsdaten der größten 50 Unternehmensinsolvenzen des Wirtschaftsjahres 2010 analysiert. Generell wurde 2010 nach dem Schock der Lehmann-Pleite im Oktober 2008 als Jahr der Erholung wahrgenommen. Die Auftragseingänge, -bestand und Umsätze der mittelständischen Unternehmen zeigten deutliche Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr 2009.
„Unter den größten 50 Unternehmensinsolvenzen 2010 waren über 50 Prozent Unternehmen der Automobilzulieferindustrie oder des Autohandels“; so Ulrich. „Die Unternehmens-Positionsdeterminanten dieser Unternehmen, wie Eigenkapital, Anteil der profitablen Wachstumsprodukte, Mittelbindung, Unternehmenskultur, vorhandene Liquidität, waren sehr schwach und das Marktwachstum zu schwach ausgeprägt, so dass diesen Unternehmen nur noch der Weg in die Insolvenz bleib.“
Viele eben dieser Unternehmen hatten noch kurz vor den Insolvenzanträgen Kostensenkungs-, Restrukturierungs-, Neuausrichtungs-Programme angekündigt, die nach Verkündung sang- und klanglos in der Schublade verschwanden. Aus Sicht der SEViX GROUP ist bemerkenswert, dass die Sanierungsmaßnahmen in den Insolvenzverfahren die Unternehmen nicht zu alter Stärke zurückführen konnten. „Selbst wenn die Zulieferer zuvor in der ersten Liga spielten blieben sie nach den Insolvenzverfahren in den Jahren seit 2010 in der dritten Liga stecken. Aufstiegschancen angesichts der aktuellen Bilanzen weitgehend ausgeschlossen“, bilanziert Ulrich.
Exempel Honsel-Gruppe – aktuelles Management wirkt konzeptionslos und überfordert
Die SEViX GROUP hat exemplarisch die Entwicklung Honsel AG vor nach dem Insolvenzverfahren in einer kurzen Studie betrachtet. Der Zulieferer für Leichtmetallkomponenten hat vor der Insolvenz 2010 Standorte in Deutschland, Rumänien, Spanien, Brasilien und Mexiko. Knapp 4.000 Mitarbeiter, davon etwa 2200 im Sauerland und 700 in Nürnberg, erwirtschaften einen Umsatz von 500-600 Mio. EUR (2009/2010).
11 Jahre zuvor hat die Carlyle Group, einer der damals größten US-amerikanischen Private Equity Fonds, 72 Prozent der Anteile an dem damaligen Familienunternehmen übernommen. Fünf Jahre darauf übernimmt die Ripplewood Holdings die Unternehmensgruppe. Die Übernahmekosten des Finanzinvestors werden Honsel als Kredite übertragen, so dass das Unternehmen mit einer immensen Schuldenlast zu kämpfen hat. Dies führt trotz gutlaufender Geschäfte zu finanziellen Schwierigkeiten.
Im Dezember 2008 wird öffentlich bekannt, dass Eigentümer und Gläubiger von Honsel an einem Moratorium für Verbindlichkeiten des Unternehmens arbeiten. Vereinbart wird ein Stillhalteabkommen mit Zinsstundungen. Die finanzielle Restrukturierung wird im Juli 2009 abgeschlossen. Der Hauptanteilseigner Ripplewood Holdings hält danach 51 % der Anteile, ein Konsortium von Kreditgebern, geführt durch die Investment-Fonds Bluebay Asset Management und Oaktree, hält 49 % der Anteile an der neuen Honsel AG.
Am 25. Oktober 2010 meldet Honsel beim Amtsgericht Arnsberg Insolvenz an. Wie es heißt, wurde über ein weiteres Restrukturierungskonzept keine Einigung erzielt. Das Unternehmen gibt an: „Dringend benötigte Finanzmittel, die dem Unternehmen im Zuge der Restrukturierung zugeflossen wären, stehen deshalb nicht zur Verfügung.“
Der Insolvenzverwalter Frank Kebekus lässt Anfang August 2011 bekannt geben, dass die Sanierung von Honsel im Juli 2011 abgeschlossen wurde. Martinrea Honsel Germany GmbH übernahm die Standorte Meschede, Soest und Nuttlar. Die Werke in Spanien, Mexiko und Brasilien wurden durch weitere Tochtergesellschaften von Martinrea übernommen.
„Es mag sein, dass die Restrukturierung der Passivseite durch den Insolvenzverwalter mehr oder minder erfolgreich abgeschlossen wurde; jedoch ist nicht parallel die Dynamisierung der Leistungswirtschaft erfolgt“, so SEViX Geschäftsführer Rainer Ulrich.
Die Erkenntnisse der SEViX GROUP legen nahe, dass die Unternehmensleitung bei Martinrea Honsel Germany GmbH es nach der Übernahme versäumt hat, die Leistungsdeterminanten des Unternehmens – unter anderem optimierte Strategie entwickeln und durchsetzen, wirtschaftliche Organisation finden, pro-Kopf-Wertschöpfung und Innovationsfähigkeit erhöhen, Kundenprobleme schneller und besser lösen, Fixkostenniveau senken und die Motivation der Mitarbeiter zu verbessern – entscheidend zu steigern. Weder transformationale noch transaktionale Führung werden in der SEViX-Analyse erkenn- oder sichtbar.
Bei der Unternehmensleitung von Martinrea Honsel Germany GmbH sind geradezu eine konzeptionelle Hilflosigkeit und eine operative Überforderungen erkennbar. Hierzu stellt Rainer Ulrich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der SEViX GmbH fest: „Der Absturz von der ersten Liga in die dritte Liga wird sich verfestigen oder gar ein weiterer Abstieg erfolgen. Dies ist leider allzu häufig der Fall, weil die Unternehmensleitung geradezu überfordert ist.“