Ein großes Plus für Verkehrssicherheit
München. Stichtag 1. November 2014: Ab diesem Datum müssen neu zugelassene Pkw, Geländewagen und Wohnmobile mit einem Reifendruck- Kontrollsystem (RDKS) ausgestattet sein. So verlangt es die EU-Verordnung Nr. 661/2009. Die Gefahr von Fahrzeugpannen und Verkehrsunfällen zu senken ist dabei das Hauptziel der RDKS. Denn viele Autofahrer vernachlässigen die Sicherheits- Komponente Reifen und kontrollieren nur selten deren Fülldruck. Doch schlaffe Pneus sind nicht nur ein Risikofaktor, sie belasten darüber hinaus auch den Geldbeutel und die Umwelt.
Mit dem Thema Reifendruck-Kontrollsysteme (RDKS) sind für Autofahrer und Reifenkäufer viele Fragen verbunden. Nachfolgend geben Experten fachkundige Antworten.
Warum RDKS?
Viele Bundesbürger interessieren sich kaum für ihre Reifen. Viel zu selten kontrollieren sie deren Fülldruck. Und nehmen dadurch etliche Nachteile in Kauf. An erster Stelle steht eine reduzierte Verkehrssicherheit des Fahrzeugs. Weist nur ein Vorderreifen ein Luft-Defizit von 1,0 bar auf, verlängert sich der Bremsweg des Autos auf nasser Fahrbahn um satte zehn Prozent. Bei einer Vollbremsung aus 100 km/h entspricht das einem Unterschied von über vier Metern. Oder anders: Während ein Auto mit korrekt befüllten Reifen bereits steht, hat der Pkw mit schlaffen Pneus noch eine Restgeschwindigkeit von etwa 27 km/h. Ein für Fußgänger lebensbedrohliches Aufpralltempo. „Darüber hinaus wird die Seitenhaftung des Reifens um fast die Hälfte verringert, woraus ein schlechtes Fahrverhalten in Kurven resultiert“, betont Norbert Allgäuer-Wiederhold, Leiter Pirelli Tyre Campus. So kann ein Minderdruck von lediglich 0,5 bar bereits zu einer Abnahme der Spurtreue in Kurven um 40 bis 50 Prozent führen. „Das Fahrzeug gerät schneller ins Schleudern und kann von der Straße rutschen“, warnt Allgäuer-Wiederhold. Bei voller Beladung des Fahrzeuges verstärkt sich diese Tendenz. Aber auch bei Spurwechselmanövern besteht infolge der fehlenden Stabilität eine erhöhte Schlinger-Gefahr. ESP kann in diesen Situationen kaum mehr helfen.
Schlappe Pneus sind aber nicht nur ein Risiko- sondern auch ein Kostenfaktor. „Bereits ein Minderdruck von 0,2 bar erhöht den Spritverbrauch um ein Prozent, bei einer Differenz von 0,6 bar sind es bereits vier Prozent.“, beziffert Norbert Allgäuer-Wiederhold den Mehrverbrauch infolge eines zu geringen Reifenfülldrucks. Das entspricht der Menge von ca. 40 Litern unnötig verbrauchtem Kaftstoff pro Jahr, wie der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk BVR, Bonn, ermittelte (Basis: 14.210 km Laufleistung, 6,6 Liter Kraftstoffverbrauch auf 100 km). Hinzu kommt: Reifen mit falschem Fülldruck verschleißen schneller. 0,6 bar zu wenig Luftdruck schmälern die Kilometerlaufleistung eines Reifens um rund 45 Prozent. Entsprechend früh muss er ersetzt werden.
Nicht zuletzt schädigen der erhöhte Spritverbrauch und der vorschnelle Verschleiß der Reifen die Umwelt.
In allen drei Fällen können RDKS Abhilfe schaffen. Indem sie den Luftdruck der Reifen ständig überwachen den Fahrzeugführer warnen, sobald der Ist-Wert eines Reifens vom Soll-Wert abweicht.
Welche RDKS-Systeme gibt es?
Fachleute unterscheiden direkte und indirekte Systeme. „Bei direkten Systemen misst ein Sensor in jedem Reifen die Werte für Druck und Temperatur, bei indirekten Systemen erfassen Sensoren des ABS die Drehzahl der Räder und leiten daraus den Reifendruck ab“, nennt Thomas Kienzle, RDKS-Experte des Automotive Zulieferers Huf Electronics, Bretten, die maßgeblichen Unterschiede. Insider erwarten, dass sich die direkten Systeme durchsetzen. Eine Vorgabe des Gesetzgebers gibt es allerdings nicht. Den Autoherstellern ist es freigestellt, auf welche RDKS-Variante sie setzen, „solange sie den Vorgaben der EU-Richtlinie ECE -R 64 entsprechen“, wie Martin Kiechl, Leiter der Stahlgruber-Stiftung, München, unterstreicht.
Wie kommen RDKS in die Reifen des Ersatzgeschäfts?
Hier ist der Reifenhändler gefordert. Er muss die im Fahrzeug verbauten Systeme erkennen, bei direkten Systemen die Sensoren identifizieren und die Ersatzreifen daraufhin mit geeigneten Sensoren versehen.
Welche Arbeitsschritte sind damit verbunden?
„Im Idealfall macht der Mitarbeiter des Händlers zuerst einen Eingangs-Check“, empfiehlt Dipl.-Ing. Michael Schwämmlein, Leiter des Geschäftsfeldes Sensorik der ALLIGATOR Ventilfabrik GmbH in Giengen/Brenz. „Er startet den Wagen und überzeugt sich, dass im Display des Armaturenbretts für das RDKS keine Fehlermeldung angezeigt wird.“ Anschließend geht er mit einem Hand-Diagnosegerät ums Auto und steuert damit jeden Rei fen und dessen Sensor an. Das Gerät liest die Identifikations-Nummern der Sensoren an den einzelnen Radpositionen aus und erfasst Informationen zu ihrer Funktionsfähigkeit und dem Status ihrer Batterien. Ist alles in Ordnung, informiert sich der Monteur in einer Online-Datenbank, ob er Universalsensoren für den Fahrzeugtyp programmieren kann, oder ob er Originalsensoren verwenden muss.
„Abschließend prüft der Monteur im Fahrzeughandbuch bzw. in der Datenbank, ob und wie die Sensoren an das System des Fahrzeugs angelernt werden müssen“, so Michael Schwämmlein. „Zum Schluss sollte der Monteur einen Ausgangs-Check durchführen, wobei er dieselben Testschritte vornimmt wie beim Eingangs-Check. So kann er dem Kunden ein dokumentiert fehlerfreies System übergeben.“
Wie hoch ist der zeitliche und der finanzielle Aufwand der Montage?
Eine REFA-Studie ermittelte einen Arbeitsaufwand von 15 bis 27 Minuten pro Fahrzeug. Je nachdem, mit welchen Programmier- und Sensorkomponenten der Monteur arbeitet und ob ein Anlernen der Sensoren an das Fahrzeugsystem erforderlich ist. Ein Satz Sensoren für ein direktes System kostet ca. 250,- €. Hinzu kommen ca. 45,- € Montagekosten, wie der BRV ermittelte. Durch die Einsparungen beim Kraftstoff und die längere Haltbarkeit der Reifen armortisieren sich diese Ausgaben nach drei Jahren. Bei Fahrzeugen mit indirekten RDKS entstehen keine Zusatzkosten.