Telefonieren aber auch andere vermeintlich harmlose Tätigkeiten können zu schweren Unfällen führen
Immer mehr Unfälle passieren, weil Autofahrer durch einen Blick auf ihr Handy vom Verkehrsgeschehen abgelenkt werden. Laut der diese Woche veröffentlichten Verkehrsunfallbilanz 2015 des NRWInnenministeriums hat die nordrhein-westfälische Polizei im vergangenen Jahr mehr als 146 000 Handy-Sünder erwischt. 339 Smartphones wurden bei schweren Verkehrsunfällen sichergestellt – hier bestand der Verdacht, dass der Fahrer dadurch abgelenkt wurde. Drei Menschen kamen bei einem Handyunfall ums Leben.
Auch der ADAC findet diese Entwicklung äußerst bedenklich. Die Verkehrsexperten des Clubs weisen aber zusätzlich darauf hin, dass nicht nur augenscheinlich ablenkende Handlungen wie das Bedienen eines Handys oder Navigationsgeräts gefährlich sind, sondern dass auch vermeintlich harmlose Tätigkeiten wie Essen oder Trinken zu verheerenden Unfällen führen können. So spielt Ablenkung als Unfallursache eine ähnlich große Rolle wie Alkohol am Steuer. Schätzungen gehen davon aus, dass bei jedem zehnten Verkehrsunfall mit Personenschaden Unachtsamkeit der entscheidende Auslöser ist.
Der ADAC hat das Thema Ablenkung am Steuer im vergangenen Jahr zusammen mit dem österreichischen Automobilclub ÖAMTC wissenschaftlich untersucht. Dabei sind 66 Männer und Frauen mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 50 Stundenkilometern eine gesicherte Teststrecke auf einem Fahrsicherheitszentrum abgefahren. Per Funk erhielten die Probanden verschiedene Aufgaben: Eine Brille aus einem Etui entnehmen, aus einer Wasserflasche trinken, ein heruntergefallenes Kinderspielzeug aufheben und dem Kinder-Dummy auf der Rückbank auf den Schoß legen, ein Handytelefonat entgegennehmen sowie eine Adresse in ein Navigationsgerät eintippen.
Das Fahrverhalten wurde mittels Videoaufzeichnungen registriert, zudem wurden Herz- und Gehirnaktivität gemessen. Bei jeder untersuchten Nebentätigkeit wurde analysiert, worauf die Blicke der Fahrer gerichtet waren. Das Ergebnis: Am längsten ging der Blick weg vom Geschehen auf der Straße bei der Navigationsaufgabe. Dies dauerte etwa vier Sekunden. Das macht auf der Landstraße bei 80 Stundenkilometern bereits knapp 90 Meter, die man nicht auf die Straße blickt. Auch Telefonieren und Brille herausnehmen beanspruchten mehrere Sekunden lang die Aufmerksamkeit der Autofahrer. Die Aufgaben „Spielzeug aufheben“ und „aus der Wasserflasche trinken“ erforderten die wenigsten Blickabwendungen. Die Fahrer unterschätzten jedoch systematisch die negativen Auswirkungen, die ablenkende Tätigkeiten auf ihr Fahrverhalten haben.
Immerhin drei Viertel der Probanden wären bei der Navigationsaufgabe auf ein plötzlich auftauchendes Hindernis aufgefahren. Im Stadtverkehr wären die auftauchenden Hindernisse Fußgänger oder Radfahrer gewesen, die beim Aufprall erhebliche Verletzungen erlitten hätten. Nach Ansicht des ADAC ist das Hauptproblem bei diesem Thema, dass Autofahren für die meisten Routine ist, weshalb sie sich während der Fahrt schnell unterfordert fühlen können und eine zusätzliche Beschäftigung suchen. Deshalb müssen die Gefahren und möglichen Konsequenzen der Ablenkung stärker in die Öffentlichkeit gebracht werden.
Der Club plädiert zum Beispiel dafür, das Thema mehr in die Fahrausbildung zu integrieren. Dabei gilt es auch, den Hang zur Fehleinschätzung der eigenen Fahrkompetenz hervorzuheben.
Quelle: ADAC