TÜV SÜD: Ein Zyklus für alle
Pfungstadt/München. Bessere Vergleichbarkeit, mehr Praxisnähe, ein Standard für alle: Das sind die Ziele des Worldwide harmonized Light Vehicle Test Procedures – kurz WLTP. Der neue globale Emissions- und Verbrauchsstandard wird schrittweise ab 2017 in der EU und vielen anderen Staaten eingeführt und löst in Europa den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) als Standard für die Zulassung neuer Fahrzeugmodelle ab. Was wird geprüft? Was sind die wichtigsten Unterschiede? Wer macht mit? Fragen, die die Experten von TÜV SÜD und TÜV Hessen beantworten, die zu den größten Prüfdienstleistern für die Homologation zählen.
Zielsetzung der UN Global Technical Regulation beim Start 2007: Eine globale Automobilproduktion und zunehmend internationale Fahrzeugmärkte brauchen für die Zulassung neuer Fahrzeugmodelle einen einheitlichen Standard für Abgasemissionen und Spritverbräuche. Das erleichtert einerseits die weltweite Homologation und macht die Fahrzeuge besser vergleichbar. Zudem soll sich der neue Standard näher an tatsächlichen Fahrprofilen orientieren und sich so den realen Verbräuchen und Emissionen annähern. Das Ergebnis: Der Worldwide harmonized Light Vehicle Test Procedures (WLTP). Wichtigste Unterschiede zum NEFZ: Fahrzeugeinteilung nach Gewichts-/Leistungsklassen, höhere Geschwindigkeiten, längere Prüfzeit, dynamische Fahrprofile und fahrzeugspezifische Schaltpunkte. Dazu Pascal Mast, Leiter des TÜV SÜD Abgas-Labornetzwerks: „Für die Entwicklung des WLTP wurde eine Vielzahl echter Fahrdaten verwendet – erhoben im Alltagsbetrieb auf der Straße. Das begrüßen wir. Als Partner der OEM bei der Homologation werden wir unsere Kunden auch bei dieser Umstellung begleiten.“
Verbrauch im WLTP-Fokus
Für die Verbrauchs- und Emissionsermittlung werden die Fahrzeuge in drei Gewichts-/Leistungsklassen eingeteilt: bis 22 Watt pro Kilogramm, bis 34 Watt pro Kilogramm und ab 35 Watt pro Kilogramm. In der EU übliche Fahrzeuge gehören fast ausschließlich der Klasse drei an. Die wiederum ist zweigeteilt in Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit über oder unter 120 Stundenkilometern. Vergleich: Beim NEFZ gibt es keine Klasseneinteilung. Auch anders als beim bisherigen Standard: die Geschwindigkeiten. War beim NEFZ bei 120 Stundenkilometern Schluss, werden die Fahrzeuge für den WLTP auf über 130 Sachen beschleunigt. Gemessen wird in vier Phasen: bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 Stundenkilometer. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt mit knapp 47 Stundenkilometern ein sattes Drittel höher. Zudem ist der neue Zyklus mehr als doppelt so lang: 23 statt 11 Kilometer. Pascal Mast: „Alles zusammen sorgt für die avisierte größere Nähe zur Realität.“
Ergebnisse ganz unterschiedlich
Blick in die Testresultate: Im direkten NEFZ-WLTP-Vergleich fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus. So bleibt bei einem 5 Gang manuell geschalteten Benziner der Verbrauch und damit auch der CO2-Ausstoß beim WLTP beinahe gleich, wohingegen ein Dieselfahrzeug mit einem 6-Gang-Automatikgetriebe mit WLTP sogar Punkte macht: mit einem Minderverbrauch von einem guten halben Liter auf 100 Kilometern. Bei vielen Schadstoffen schneiden die Autos beim WLTP schlechter ab – Beispiel Kohlenmonoxid: Bei einem gemessenen 5-Gang-Benziner lagen die CO2-Emissionen um 87 Prozent höher, beim 6-Gang-Automatik-Selbstzünder um 20 Prozent. Höhere Werte auch bei den Stickoxiden: beim Benzinerbeispiel mehr als doppelt so hoch, beim Diesel um das Dreieinhalbfache. Dazu Mast: „Die Ergebnisse zeigen, dass der WLTP nicht automatisch zu höheren Verbräuchen führt.“
Schaltpunkte in der Kritik
Ein neuer Parameter im WLTP sind die Schaltpunkte. Sie müssen für jedes einzelne Fahrzeug aus einer Vielzahl von Werten errechnet werden. Dazu gehören beispielsweise der Leistungsverlauf übers gesamte Drehzahlband und die Fahrzeugmasse plus Sonderausstattung und Fahrer. „Die Schaltpunkte auszurechnen, ist komplex. Hinzu kommt, dass wir viele Angaben nur direkt vom Hersteller bekommen. Das komplizierte Prozedere ist zeitaufwändig und eine Fehlerquelle. Das Prozedere sollte vereinfacht werden, um falsche Messergebnisse zu vermeiden,“ sagt Pascal Mast.
Bestimmte Schadstoffe nur im realen Fahrbetrieb messbar
Der WLTP sorgt für mehr Praxisnähe und bessere Vergleichbarkeit in vielen Bereichen wie Verbrauch und Emissionen. Einige Schadstoffe können aber nur unter realistischen Fahrbedingungen gemessen werden wie etwa Stickoxide (NOx). Dafür werden bereits heute versuchsweise Portable Emission Measurement Systems (PEMS) eingesetzt. Sie werden zuvor am Fahrzeug installiert, um Messungen im realen Fahrbetrieb auf einer festgelegten Strecke durchzuführen. „PEMS ist schon heute ein wichtiger Baustein für die Emissionsmessung. Den Schadstoffausstoß auf der Straße zu messen, wird zukünftig eine größere Rolle spielen, gerade für die aufflammende Diskussion rund um die Stickoxidemission bei Dieselfahrzeugen. Wir haben PEMS bereits heute im Portfolio.“
Weltstandard angestrebt
Mit dem WLTP streben die UN einen weltweit verbindlichen Standard an. Mit dabei sind bisher die EU-28, Australien, China, Indien, Japan, Norwegen, Süd-Korea, Russland, Südafrika, die Türkei und Moldawien.
Quelle: ots.